Dicke Frauen lieben anders – und warum es dringend mal gesagt werden muss

Dicke Frauen lieben anders?

Ein persönlicher Blick auf Körper, Scham, Nähe und die stille Sehnsucht nach echter Verbindung

Ich erinnere mich noch gut an meine Jugend. An das Schwimmbad im Sommer. Die anderen Mädchen zogen ihre Bikinis an, warfen sich lachend ins Wasser, liefen unbeschwert über den heißen Betonboden. Ich hingegen saß lieber im Schatten. Trug ein zu großes T-Shirt über meinem Badeanzug. Und hoffte, dass niemand genau hinsah. Schon damals hatte ich gelernt: Mein Körper ist anders. Zu dick. Zu sichtbar. Zu viel.

Diese Erfahrung begleitet mich seit ich denken kann. Und ich bin damit nicht allein.

Wir leben in einer Welt, die von einem ganz bestimmten Schönheitsideal geprägt ist. Schlank, straff, symmetrisch – das ist das Ziel. Und wer davon abweicht, gilt schnell als weniger diszipliniert, weniger gesund, weniger liebenswert. Dicke Frauen sind in dieser Welt oft nicht einfach nur „nicht schön genug“ – sie werden zur Projektionsfläche. Für gesellschaftliche Kontrolle. Für Frust. Für Bewertungen, die mit dem eigentlichen Menschen nichts zu tun haben.

Was ich anfangs geglaubt habe – und was viele von uns internalisieren – ist: Ich bin schuld. Ich habe zu viel gegessen. Mich nicht genug bewegt. Ich bin irgendwie falsch. Ich muss mich ändern, damit ich lieben darf. Damit ich geliebt werde. Damit ich begehren darf – und begehrt werde.

Doch irgendwann habe ich begonnen, dieses System zu hinterfragen.

Nicht, weil es leicht war. Sondern weil es nicht mehr anders ging.

Ich habe zudem beruflich angefangen, mit Frauen zu arbeiten, die ähnliche Geschichten trugen. Ich habe ihre Tränen gesehen. Ihre stille Wut. Ihre zarten Versuche, sich doch wieder zu zeigen. Und ich habe mich selbst in ihnen erkannt.

Was mich besonders erschüttert hat: Wie früh viele von uns lernen, sich selbst abzulehnen. Noch bevor wir überhaupt wissen, was Begehren ist. Noch bevor wir den ersten Kuss erleben, haben wir schon beschlossen, dass unser Körper nicht richtig ist.

Diese frühe Scham prägt uns. Sie beeinflusst, wie wir Nähe zulassen. Wie wir uns in Beziehungen verhalten. Wie wir Sexualität erleben. Oder eben nicht erleben. Und sie macht uns empfänglich für eine tiefe, oft unausgesprochene Angst: Was, wenn ich nicht genüge?

Scham ist leise, aber mächtig.
Sie sitzt nicht in der Kleidung. Sie sitzt in unserem Nervensystem.
Und sie schleicht sich auch in die Liebe – oft unbemerkt.

Ich habe Männer geliebt. Und gleichzeitig nicht glauben können, dass sie mich wirklich wollten.
Habe Nähe gesucht – und mich gleichzeitig zurückgezogen.
Denn wie soll ich mich wirklich hingeben, wenn ich innerlich die ganze Zeit denke: „Du findest mich bestimmt nicht wirklich schön.“

Und es geht so vielen Frauen so – egal ob dick oder dünn.
Wenn wir uns nicht sicher fühlen in unserem Körper, machen wir uns klein.
Wir entschuldigen uns für unser Begehren. Oder unterdrücken es.
Wir lernen, zu gefallen – aber nicht, uns zu zeigen.

Ich erinnere mich an so viele Situationen, in denen ich meinen Körper wie ein Fremdkörper behandelt habe. Beim Dating. Im Schwimmbad. Beim Einkaufen von Unterwäsche.
Und später in Beziehungen – beim Sex.
Wie oft ich den Bauch eingezogen habe, statt zu atmen.
Wie oft ich gehofft habe, dass er das Licht ausmacht.

Ich habe viele Jahre gebraucht, um zu erkennen, dass mein Körper nicht das Problem ist. Die Bewertung ist es. Die ständige Analyse. Der versteckte Leistungsdruck – auch in der Liebe.

Und ich habe erlebt: Dicke Frauen lieben. Nicht trotz ihres Körpers. Sondern mit ihm. Mit Haut, mit Bauch, mit Unsicherheit, mit Wärme. Sie lieben oft tief. Und sie haben gelernt, zwischen den Zeilen zu lesen, weil sie selbst so oft übersehen wurden.

Doch diese Fähigkeit zur Empathie hat auch eine Schattenseite. Viele dicke Frauen neigen dazu, sich anzupassen. Zu geben, zu halten, zu stützen – in der Hoffnung, dass sie dann bleiben dürfen. Dass sie dann wertvoll sind. Dass sie dann geliebt werden.

Aber Liebe, die davon abhängt, wie gut wir uns anpassen, ist keine Liebe. Es ist ein Tauschgeschäft. Und es kostet uns unsere Würde.

Wir wachsen auf in einer Gesellschaft, in der Schönheit ganz eng verknüpft ist mit Wert.
Schön = liebenswert.
Schlank = erfolgreich.
Dünn = begehrenswert.

Und alles, was davon abweicht, ist automatisch „zu viel“, „nicht gesund“, „nicht sexy“.
Dabei betrifft das nicht nur dicke Frauen. Auch viele schlanke Frauen fühlen sich ständig nicht richtig. Die eine hat „zu kleine Brüste“, die nächste „zu breite Hüften“. Der weibliche Körper ist nie genug – außer vielleicht in der Werbung.

Lass uns reden!

Kein Text kann ein gutes Gespräch ersetzen. Deshalb lade ich dich von Herzen zu einem kostenlosen Beratungsgespräch ein.

Was das mit uns macht?
Wir lernen früh: Unser Körper ist eine Baustelle. Kein Zuhause.
Und während wir ständig an uns herumbasteln, verlieren wir etwas ganz Zentrales: das Gefühl, wirklich da sein zu dürfen – einfach so, wie wir sind.

Wir brauchen eine neue Geschichte. Eine neue Sprache für Körper. Für Lust. Für Selbstannahme.

Ein Film, der mich zuletzt tief berührt hat, war „Substance“ mit Demi Moore. Er erzählt die Geschichte einer Frau, die älter wird – und die spürt, wie sich ihr Wert in den Augen der Gesellschaft verändert. Sie greift zu einer radikalen Lösung: einer medizinischen Verjüngungskur, die sie wieder „perfekt“ macht. Jung. Schön. Begehrenswert. Aber der Preis ist hoch: Sie verliert sich selbst. Ihre Identität. Ihr echtes Ich. Der Film ist eine Metapher für das, was viele Frauen erleben: Wir versuchen, uns an ein Ideal anzupassen – und verlieren dabei unsere Verbindung zu uns selbst.

Auch ich kenne diesen Schmerz. Und ich weiß, dass viele ihn teilen.

Deshalb schreibe ich diesen Text. Für alle Frauen, die sich nicht gesehen fühlen. Die sich im eigenen Körper fremd fühlen. Die denken, dass sie erst etwas erreichen, verändern, abbauen, straffen, optimieren müssen – bevor sie lieben dürfen.

Ich sage dir: Du darfst jetzt lieben. Und du darfst jetzt geliebt werden. Genau so. Mit Bauch. Mit Kurven. Mit Narben. Mit Geschichte.

Wir brauchen keine neue Diät. Wir brauchen Würde. Präsenz. Und die Erlaubnis, uns zu zeigen – so, wie wir sind.

Hier sind drei Gedanken, die ich dir mitgeben möchte:

  1. Du bist kein Vorher-Bild. Du bist jetzt. Und du bist genug.
  2. Dein Körper ist kein Feind. Er ist ein Zuhause. Manchmal braucht es Zeit, das wieder zu spüren.
  3. Echte Liebe beginnt nicht bei der Zahl auf der Waage – sondern bei dem Blick, mit dem du dich selbst anschaust.

Kein Mensch auf der Welt hat das Recht dich ungefragt und unerlaubt zu bewerten. Selbst wenn dir im Alltag oder im Netz Hass und Abwertung begegnet, sei dir bewusst, dass du nur für die verdrängten Ängste deines Gegenübers an dieser Stelle ein Blitzableiter für all die ungelösten Konflikte bist. Es hat nichts mit dir zu tun.

Es hat mich tief schockiert, was die Abgeordnete Ricarda Lang sich alles anhören musste, was einfach gar nichts mit ihren Themen inhaltlich zu tun hatte, sondern sich nur auf ihre Figur bezog. Keiner ist perfekt und wir sollten uns gegenseitig ermutigen und unterstützen, statt gegenseitig zu dissen.

Das ist Mobbing und hinterlässt Spuren. Nicht nur auf der Waage, sondern in der Seele und in unserem Nervensystem. Oft kommt der Satz: „Du bist doch selbst schuld, dann iss halt weniger.“ Als ob Übergewicht immer nur eine Rechnung wäre -Kalorien rein, Kalorien raus. Es geht um viel mehr: Selbstschutz, Trauma und Stressbewältigung, frühkindliche Prägung. Und ja, auch ums essen, aber nicht als Problem, sondern als Ausdruck.

Viele dicke Frauen haben Mobbing erlebt. Schön früh. Und viele lernen daraus: Ich muss mich klein machen, anpassen, entschuldigen… nur um dazuzugehören.

Natürlich gibt es gute gesunde Gründe um abzunehmen und sich mit sich selbst wohl zu fühlen, gar keine Frage, aber nie um besser zu sein oder anderen gefallen zu wollen.

Heute lebe und liebe ich aus vollem Herzen, zeige mich gerne und genieße Sex in vollen Zügen. Lasse mich fallen, habe Spass und Lust mit mir selbst und begrüße mich jeden Morgen mit einem Lächeln im Gesicht. Weil ich so viel mehr bin als mein Körper. So wie du auch!

*Wenn dich dieser Text berührt hat, teile ihn. Sprich darüber. Mit Freundinnen, Partnern, Töchtern. Lass uns gemeinsam neue Geschichten erzählen. Geschichten von Mut, von Zärtlichkeit, von Sichtbarkeit.

Denn dicke Frauen lieben. Und wie. Es wird Zeit, dass wir das sagen. Und feiern.*

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert